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Interview

Die neuen Onlinekunden

Exklusiv-Interview mit IFH / ECC Köln-Geschäftsführer Dr. Kai Hudetz

Das Konsumverhalten von Menschen hat sich seit Beginn der Pandemie maßgeblich verändert. Eine Umfrage des IFH Köln im Rahmen des „Corona Consumer Checks“ Anfang Juni ergab, dass 57% der befragten Konsumenten wiedereröffnete Geschäfte nicht mehr besucht haben. Das führte und führt zu enormen Umwälzungen zugunsten des ohnehin immer stärker werdenden E-Commerce-Geschäfts. Auch wenn dieser Trend lt. Studie in den letzten Wochen etwas zurückgeht, so ist damit zu rechnen dass sich diese Tendenz fortsetzt, sobald die Virus-Ausbreitung wieder zunimmt.

postbranche.de / Matthias Kreidler

Herr Dr. Hudetz, Sie haben am IFH Köln in der Coronakrise kontinuierlich Daten zum Konsumverhalten der Deutschen erhoben, so unter anderem in der Studienreihe „Corona Consumer Check“ und kürzlich mit einer neuen Publikation zusammen mit einem bekannten Beratungsunternehmen, in der Sie Neukunden im E-Commerce seit Beginn der Pandemie analysieren Danach haben 44% der deutschen Bevölkerung bestimmte Produktkategorien erstmals online gekauft, statt diese im stationären Handel zu erwerben. Wird sich dieser Trend aus Ihrer Sicht fortsetzen?

IFH / ECC Köln-Geschäftsführer Dr. Kai Hudetz

Das ist die große Frage. Es spricht aber sehr vieles dafür, dass das Wachstum des Onlinehandels durch Covid-19 nachhaltig beschleunigt wird. Das Online-Wachstum war 2019 schon sehr stark, aber durch die Einschränkungen auf der Fläche hat sich die Entwicklung nochmals deutlich verstärkt. Wir sehen, dass die Verschiebungen immer noch sehr stark sind. Unser Corona Consumer Check macht es deutlich: In Kalenderwoche 19 gaben 35 % der Befragten an, in der vergangenen Woche ursprünglich stationär geplante Einkäufe online getätigt zu haben. In Kalenderwoche 24 waren es immer noch 31 %. Das spricht für eine Fortsetzung dieser Entwicklung. Zudem sehen wir, dass die Zufriedenheitswerte bei Online-Käufen insgesamt sehr hoch sind, gerade bei den „Neulingen“ im Onlinehandel, die erstmals gewisse Produktkategorien online eingekauft haben.

Matthias Kreidler

Bei den in Ihrem Corona Consumer Check dargestellten Top 5 Onlineeinkäufen sind bereits auf Platz drei Hygieneartikel. Geht dieser Trend aus Ihrer Sicht weiter, oder gibt es bereits eine gewisse Sättigung im Markt?

Dr. Kai Hudetz

Der Run auf Hygieneartikel im Internet ist typisch für die Phase der Hamsterkäufe. In Kalenderwoche 12 waren Hygieneartikel sogar Platz 1 unter allen online gekauften Produktkategorien. Das hat sich wieder normalisiert. Aber viele haben sich jetzt auch daran gewöhnt, Drogeriewaren online einzukaufen. Das geht sicher nicht mehr weg. Es wird spannend sein zu sehen, was im Lebensmittelhandel passiert. Die Onlinedienste wurden ja phasenweise überrannt. Der logistische Aufwand im Vollsortiment ist aber immens hoch und die Preisbereitschaft der Konsument*innen niedrig. Aber auch hier wird der Onlinehandel durch Covid-19 enorm beschleunigt.

Matthias Kreidler

Aus Ihrem Hause ist zu lesen, dass Nachhaltigkeit und Regionalität im Rahmen des Produktkaufs immer wichtiger werden. Haben Sie hierfür das eine oder andere Beispiel?

Dr. Kai Hudetz

Wiederum kann Covid-19 als Beschleuniger von Entwicklungen gelten, die bereits zuvor eingeleitet wurden. Wir sehen in unseren Studien, dass Nachhaltigkeitsaspekte immer stärker in das Bewusstsein sein Konsument*innen dringen. Jetzt in der Pandemie hinterfragen wir viele Aspekte stärker: Muss ich wirklich für ein einstündiges Meeting nach Hamburg fliegen oder reicht nicht doch eine Videokonferenz? Muss das T-Shirt in Bangladesch produziert werden? Sind Äpfel aus Neuseeland notwendig? Im Lebensmittelhandel sehen wir ja schon sehr viele Beispiele für Nachhaltigkeit. Gerade Bioprodukte und regionale Produkte haben enorm an Bedeutung gewonnen. Regionalität wird ohnehin zu einem wichtigeren Faktor, wo wir weniger reisen und uns stärker auf unsere unmittelbare Umgebung fokussieren. Wir sehen auch die Chance für kleinere regionale Händler, nahe an ihre Kundinnen und Kunden zu rücken. Regionale Onlinemarktplätze, lange diskutiert und nie etabliert, könnten durch die Pandemie an Relevanz gewinnen – wenn es Ihnen gelingt, den Kund*innen echte Mehrwerte zu bieten. Regional ist gut – aber es muss bequem sein!

Matthias Kreidler

Cross-Channel-Konzepte werden somit immer wichtiger für den Handel von morgen. Gibt es Beispiele für bereits erfolgreich umgesetzte Projekte?

Dr. Kai Hudetz

Inzwischen gibt es doch viele Erfolgsbeispiele. Services wie „Reservieren und Abholen“ werden bereits von den meisten großen Einzelhändlern angeboten, Social Media-Kanäle für Marketing und Vertrieb konsequent genutzt. Es sind aber nicht nur große Einzelhändler und Mittelständler, die entsprechende Konzepte erfolgreich umsetzen, sondern auch sehr viele kleine Händler. Gerade in dem durch die Pandemie besonders betroffenen Modehandel sehen wir viel innovative Konzepte von Einzelunternehmern, von der Whats-App-Beratung bis hin zum Verkauf über Instagram, von der Videoberatung aus dem Laden hinaus bis hin zur taggleichen Auslieferung mit dem Fahrrad. Es geht dabei schließlich weniger um die Technologie als um den Mehrwert, den ich meinen Kundinnen und Kunden biete.

Matthias Kreidler

Zieht aus Ihrer Sicht neben dem weiter wachsenden Paketmarkt evtl. auch wieder der klassische Briefversand an, wenn es z.B. um eine gezielte Kundenansprache mit Mailings zu regionalen Angeboten geht?

Dr. Kai Hudetz

Gute Frage! Die steigende Bedeutung der regionalen Angebote führt dazu, dass regionale Kundenansprache wieder wichtiger wird. In einem noch unveröffentlichten Projekt haben wir analysiert, dass mit klassischer Prospektwerbung nicht nur Kaufimpulse ausgelöst werden, sondern auch das Markenimage stark beeinflusst wird. Im Online-Zeitalter verschwindet Print nicht, aber die klassischen Mailings müssen sich ändern. Mehr Story-Telling und mehr Individualität sind gefragt. Es kommen immer neue Werbekanäle hinzu, der Mix bleibt aber entscheidend.

Matthias Kreidler

Zu guter Letzt: Wie sieht der Handel in 5-10 Jahren aus Ihrer Sicht aus?

Dr. Kai Hudetz

Ich sage immer zu Prognosen: fünf Jahre das sind neue zehn Jahre. Die Entwicklungen werden immer schneller und dynamischer. In fünf Jahren wird es aus meiner Sicht fast nur noch vernetzte Händler geben, die den Kund*innen durch diese Vernetzung einen echten Mehrwert bieten. Ich bin davon überzeugt, dass wir sehr kundenorientierte Händler erleben werden, mit umfassenden Serviceangeboten. Wir werden aber mit Sicherheit weniger Verkaufsstellen haben und deutlich höhere Onlineumsätze. Die alte Weisheit „Handel ist Wandel“ gilt mehr denn je. Einzelhandel in fünf oder zehn Jahren wird deutlich anders aussehen als heute – Kundenzentrierung über alle Kanäle wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Herausfordernd für den Handel – gut für uns Konsument*innen!

Matthias Kreidler

Vielen Dank an Herrn Dr. Kai Hudetz für dieses Interview.

IFH Köln | Dr. Kai Hudetz

IFH Köln | Dr. Kai Hudetz

Quelle: www.postbranche.de

 

Interview veröffentlicht am 24.08.2020 in E-Commerce, News (In- und Ausland), postbranche.de (Home).