Club of Logistics: Deutschland treibt bei Energie- und Verkehrspolitik konzeptionslos ins Desaster

Der Dortmunder Logistik-Think-Tank fordert von Industrie und Politik, die gegenwärtige Krisensituation in der Automobilindustrie zum grundsätzlichen Überdenken der bisherigen Denk- und Handlungsweise bei der Gestaltung der Verkehrs- und Energieinfrastruktur zu nutzen.

Angesichts drohender Dieselfahrverbote und dem Scheitern der E-Mobility-Ziele der Bundesregierung wendet sich der Club of Logistics gegen eine Fortsetzung der „ideologiegetriebenen“ Handlungsweise von Politik und Industrie in Deutschland. Er fordert mehr ergebnisoffene Kreativität und eine Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Lösungen.

Mehrfach wurde in den letzten Wochen die Bedeutung der Automobilindustrie für die deutsche Wirtschaft mit dem Begriff „systemrelevant“ umschrieben. Presse und Vertreter verschiedener Parteien wiesen darauf hin, dass in keinem anderen Industrieland die Autoindustrie einen so hohen Anteil an Arbeitsplätzen stellt und die Politik dieser Branche eine so hohe Aufmerksamkeit widmet wie in Deutschland. Diesel- und Abspracheaffären haben die Vorzeigeindustrie der deutschen Wirtschaft ins Gerede gebracht. Dieselverbote in Städten stehen im Raum, um Umweltstandards einhalten zu können. Gleichzeitig ist der Ausbau der von der Politik, aber nicht von den Verbrauchern favorisierten E-Mobilität ins Stocken geraten und die Energiewende erweist sich als weit schwieriger umzusetzen als ursprünglich versprochen.

Für den Club of Logistics ist diese problematische Situation, der sich auch die Logistik – drittgrößter Industriezweig Deutschlands und gewichtiger Verkehrsfaktor – als besonders hart betroffene Branche gegenübersieht, ein Zeichen für Kurzsichtigkeit und Mangel an Kreativität in Politik, Gesellschaft und Industrie.

„Den gesamten Themenkomplex Energie, Verkehr und Umwelt durchzieht eine tiefgreifende Konzeptionslosigkeit, und dies schon seit vielen Jahren.“, erklärt Peter H. Voß, Geschäftsführer des Logistik-Think-Tanks mit Sitz in Dortmund. „Die Politik hat hier einerseits durch ihre betonharte Festlegung auf die Elektromobilität als entscheidendes Element der Energiewende die Weichen in eine Richtung gestellt, die so wie es jetzt aussieht direkt aufs Abstellgleis führt. Die Idee der Ausstattung von tausenden Kilometern Autobahn mit Stromoberleitungen ist nur die jüngste Ausprägung von eher verzweifelt wirkenden Konzepten zur Rettung dieser Strategie. Jahrelang wurden Alternativen zum Elektrofahrzeug – insbesondere die Brennstoffzelle und der Kraftstoff LNG – stiefmütterlich behandelt. Forschungsprogramme in dieser Richtung haben eher den Charakter von Alibiveranstaltungen als von ernst gemeinten alternativen Verkehrsprojekten. Die plötzliche Rede von Dieselfahrverboten in unseren Großstädten, die angesichts des betrügerischen Verhaltens seitens der Autoindustrie durchaus verständlich ist, verschleiert die Tatsache, dass die Kunden seit vielen Jahren in dem Glauben bestärkt wurden, sie könnten mit dieser Antriebstechnik zum Umweltschutz beitragen. Jetzt werden sie plötzlich in die Position von Umweltsündern gedrängt.“

Die Reaktionen der Politik auf verschiedene Vorfälle der letzten Zeit ließen immer wieder das selbe Muster an Hilflosigkeit erkennen, meint Peter Voß: „Nachdem man jahrelang einen Kurs kompromisslos verfolgt hat, genügt ein einziges Ereignis, um aus der Hüfte geschossene Antworten der Politik auszulösen, nach dem Motto: erst handeln, dann denken. So geschehen bei der Energiewende im Gefolge von Fukushima: In einer Bauch-Entscheidung wurde rechtswidrig der Ausstieg aus der Verschmutzungsbremse Kernkraft beschlossen. Nun sehen wir bei dem, was in Berlin und anderswo diskutiert wird, dieses Muster wieder am Werk: Fahrverbote, Rufe nach der Abschaffung des Diesels oder gar des Verbrennungsmotors. Über wirtschaftlich vertretbare und kundenfreundliche Alternativen reden wir später.“

Politik und Industrie gleichermaßen in der Pflicht

Auch den Schulterschluss von Automobilindustrie und Politik kritisiert Peter Voß: „Mit dem Hinweis auf 800.000 direkt betroffene Arbeitsplätze konnte die deutsche Autoindustrie die Politik seit Jahrzehnten vor sich hertreiben und ihre Ideen- und Interesselosigkeit an alternativen Technologien beibehalten, als die Konkurrenz aus Japan und den USA schon längst funktionierende Konzepte hierzu realisierte. Abgasskandal und Kungelei haben an der „To-big-to-fail“-Selbstzufriedenheit der deutschen Hätschelsparte nicht allzu viel geändert. Zu befürchten ist, dass bald wieder Steuergelder in eine Industrie gepumpt werden, die allzu lange an ihren Erfolgskonzepten von Damals festhielt und immer noch festhält. Das Jammern über Arbeitsplätze in der Technologie von Gestern dient dazu, Emotionen zu schüren, die staatliche Unterstützung locken sollen. Wie nicht anders zu erwarten, hören wir parallel zu Anordnungen von Fahrverboten bereits Vorschläge für Steueranreize für den Euro-6-Diesel. Wieder soll Mangel an Kreativität mit Steuergeldern subventioniert werden. Das Schicksal der Bergbau- und der Stahlindustrie sollte eigentlich als gewichtiges Warnzeichen verstanden werden. Widersprüchliche Signale der Politik, Vertrauensverlust der Industrie, dazwischen vollmundige Erfolgs-Versprechungen bei der Energiewende – das schlingernde Schiff der deutschen Umwelt- und Klimastrategie wirkt aus der Distanz betrachtet als Lachnummer.

Die Logistikindustrie, die einerseits Leidtragende der Konzeptionslosigkeit ist, andererseits auch zu wenig eigene Kreativität an den Tag legt, droht in dieser Gemengelage Schaden zu nehmen. Sie sollte ihre Eigenständigkeit gegenüber der unzuverlässigen Politik und der betrugsbelasteten Autoindustrie betonen, indem sie unabhängig nach zukunftsweisenden Lösungen beispielsweise in Kooperation mit innovativen Herstellern sucht.“

Der Club of Logistics fordert einen grundsätzlichen Wandel im Denken ein: „Wir müssen endlich zurück zur Marktwirtschaft. Die Energiepolitik ist längst eine eigene Form von Planwirtschaft geworden und droht, die Verkehrspolitik in ihren Sog zu reißen. Das immer häufiger zu hörende Wort von der Verkehrswende klingt angesichts der problematischen Folgen der Energiewende wie eine Drohung. Wir brauchen einen marktwirtschaftlichen Wettbewerb fortschrittlicher Antriebssysteme. Wir brauchen Korrekturen in der Energiepolitik, die ein marktwirtschaftliches Nebeneinander wettbewerbsfähiger Technologien auf Kosten der ideologiegetriebenen Fixierung auf Wind und Solar ermöglicht. Und wir brauchen ganzheitliche Konzepte zur Versorgung unserer Innenstädte, in deren Planung von Anfang an die Belange der Logistik mit einbezogen sind.“

Der gegenwärtige Weg hin zu noch mehr Kontrolle und ideologischer Lenkung werde ins Desaster führen, so Club-Sprecher Peter Voß: „Wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland nicht endlich die Situation bei Energie-, Verkehrs- und Umwelttechnologien und -konzepten nüchtern, weitsichtig und vor allem unideologisch angehen, werden wir den Wohlstandsgipfel, über den wir uns heute freuen, früher in Richtung Tal verlassen als selbst Zukunftspessimisten vermuten.“

Quelle: www.club-of-logistics.de

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